Nachhaltigkeitspräferenzabfrage nach IDD
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Pflichten, Dokumentation und Gesprächsleitfaden für die Praxis
Seit dem 2. August 2022 sind Versicherungsvermittler:innen verpflichtet, im Rahmen der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kund:innen abzufragen. Das Ziel: Anleger:innen und Versicherungsnehmer:innen besser in nachhaltige Finanzentscheidungen einbinden.
Doch was genau muss gefragt werden? Wie dokumentiert man korrekt? Und wie führt man dieses Gespräch professionell – ohne Unsicherheit oder Verkaufsdruck?
⚖️ Rechtlicher Hintergrund
Die Pflicht zur Nachhaltigkeitsabfrage ergibt sich aus einer Änderung der DelVO (Delegierten Verordnung 2017/2359)zur IDD. Sie ergänzt die Pflicht zur Eignungs- und Angemessenheitsprüfung um einen weiteren Punkt: ob und in welcher Form Nachhaltigkeit bei der Produktauswahl berücksichtigt werden soll.
📌 Was muss abgefragt werden?
Laut Verordnung sind drei Nachhaltigkeitsstrategien zu unterscheiden:
- Taxonomiekonformität
Anteil der Investitionen in ökologisch nachhaltige Tätigkeiten gemäß EU-Taxonomie - Offenlegungsverordnung Artikel 8 und 9
Produkte, die ökologische oder soziale Merkmale berücksichtigen (Art. 8), oder ein konkretes Nachhaltigkeitsziel verfolgen (Art. 9) - Individuelle Nachhaltigkeitsfaktoren
Z. B. Ausschluss von Kinderarbeit, fossilen Energien, Waffen etc. gemäß PAIs (Principal Adverse Impacts)
👉 Die Kund:innen müssen angeben, ob sie Nachhaltigkeitspräferenzen haben – und wenn ja, welche.
📝 Dokumentation in der Praxis
Die Abfrage muss:
- vor Produktempfehlung erfolgen
- schriftlich dokumentiert und zur Akte genommen werden
- bei Änderungen oder auf Wunsch erneut erfolgen
Hinweis: Wenn kein nachhaltiges Produkt zur Präferenz passt, darf ein anderes empfohlen werden – aber nur nach Aufklärung und Zustimmung des Kunden.
💬 Gesprächsleitfaden für Vermittler:innen
1. Einstieg: Neutrale Einleitung
„Immer mehr Kunden wünschen sich Versicherungs- oder Vorsorgeprodukte, die auch ökologische oder soziale Kriterien berücksichtigen. Darf ich Ihnen dazu ein paar Fragen stellen?“
2. Klärung: Grundsatzfrage
„Möchten Sie, dass bei der Auswahl Ihres Produktes Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden?“
→ Ja: weiter zu den drei Präferenztypen
→ Nein: dokumentieren, dann zur Produktberatung übergehen
3. Differenzierung: Auswahl der Strategie
„Es gibt verschiedene Arten von nachhaltigen Produkten. Möchten Sie z. B.:
– Produkte, die zu einem bestimmten Teil in grüne Tätigkeiten investieren?
– Produkte mit sozialen/ökologischen Merkmalen?
– Oder Produkte, die bestimmte Dinge ausschließen – wie z. B. Rüstung oder Kohle?“
4. Gewichtung & Produktabgleich
„Welche dieser Aspekte sind Ihnen besonders wichtig? Und wie stark sollen diese Kriterien in der Produktstruktur vertreten sein (z. B. 20 %, 50 %)?“
✅ Tipps für die Praxis
- Verwende klare, alltagsnahe Sprache. Nicht jede:r Kunde kennt die Begriffe „Artikel 9“ oder „Taxonomie“.
- Biete Auswahlmöglichkeiten an, aber keine Beeinflussung.
- Nutze Checklisten oder digitale Tools, um die Gesprächsdokumentation zu vereinfachen.
- Vermeide Greenwashing! Empfiehl nur Produkte, die die Kriterien wirklich erfüllen.
- Bleib up to date. Produktklassifikationen und regulatorische Vorgaben ändern sich laufend.
📚 Fazit
Die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage ist kein lästiger Zusatz, sondern eine Chance zur qualifizierten Kundenberatung – mit echtem Mehrwert. Wer sie gut vorbereitet, transparent dokumentiert und ehrlich führt, stärkt Vertrauen, Rechtssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit.
Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Trend – sie wird zum neuen Standard.